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Die bedeutsamsten Nachbardisziplinen der Kulturethologie, die sich mit kulturellen Phänomenen beschäftigen, sind die Erziehungswissenschaften, die Soziobiologie, die Ethnologie und die Psychologie. Ein relativ junger Forschungszweig ist die Memetik, die sich mit der Verbreitung von Ideen nach darwinistischem Prinzip beschäftigt. Im folgenden sollen aktuelle Themenschwerpunkte dieser Disziplinen kurz skizziert werden und in Beziehung mit der Kulturethologie gestellt werden:

Erziehungswissenschaften:

Die Erziehungswissenschaft befasst sich sowohl mit der Erforschung von Bildungs- und Erziehungszusammenhänge, als auch mit der Reflexion wie Bildungs- und Erziehungspraxis gestaltet und verbessert werden kann.

Die Erziehungswissenschaft ist eine Disziplin, deren konstitutiver Forschungsgegenstand das Lernen und Lehren ist, genau die Faktoren, auf denen "Kultur" beruht. Gerade durch den "historischen" Aufschluss der Kultur des Menschen, wie es unter dem Einfluss von O. Koenig im Bayerischen Schulmuseum Ichenhausen geschehen ist, werden kulturelle Verläufe und die motivationale Basis dieser Verläufe besonders deutlich.

Soziobiologie:

Die Soziobiologie ist due Wissenschaft von der biologischen Angepasstheit des tierischen und menschlichen Sozialverhaltens. Weil Sozialverhalten eine ganz wesentliche Rolle in den Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungsbemühungen der Organismen spielt, unterliegt es der formenden und optimierenden Kraft der evolutionsbiologischen Vorgänge (z.B Selektion).

(Eckart Voland, 2000, "Grundriss der Soziobiologie". Spektrum Verlag)

 

Sie beschäftigt sich mit Kooperation und Konflikt in sozialen Gruppen, mit Geschlechterbeziehungen und Eltern-Kind Beziehungen. Die Forschungsschwerpunkte liegen in den letzten Jahren in der Partnerwahl, den Rangsystemen in Gruppen sowie im Konfliktverhalten.

Kulturethologische Themen werden innerhalb der Soziobiologie behandelt, sofern sie sich mit besagten Themenfeldern überschneiden. So kann beispielsweise der Einfluss des Uniformtragens auf dominantes Verhalten oder auf den Partnermarktwert Inhalt einer soziobiologischen Betrachtung sein.

Memetik:

Schon sehr früh sind in der Soziobiologie Vorschläge gemacht worden, das menschliche Kulturgeschehen formal analog dem biologischen Evolutionsgeschehen zu beschreiben. Wir hätten es danach in der Kulturgeschichte mit, den Genen vergleichbaren, Replikatoren zu tun, die als "viruses of the mind" von Gehirn zu Gehirn springend sich vermehren und das kulturelle make-up ihrer Zeit konstruieren. Diese Replikatoren werden oft Meme genannt. Meme werden als sich replizierende "Erbeinheiten" der Kulturgeschichte gedacht. Solche "Ideen", wie zum Beispiel Melodien, Rezepte, Sitten, politische Ideologien, Sprichwörter usw., lassen auf ihrem Weg durch die Generationen all jene Prozesse erkennen, wie sie für die Geschichte biologischer Merkmale typisch sind. Dazu gehören zunächst Variation und Selektion, aber auch Reliktbildung, Funktionswandel, Luxurierung und dergleichen mehr. Unter Anwendung der Memetik lässt sich die Kulturgeschichte mit populationsgenetischen Methoden beschreiben, genauso wie Kulturethologen dies tun. Wohlgemerkt:"beschreiben" und nicht "erklären". Memetiker wie Kulturethologen liefern zunächst eine rein phänomenologische Darstellung der Tatsache, dass such kulturelle Errungenschaften gegen andere durchsetzen, verschwinden oder auch wiederentdeckt werden.

(vereinfacht nach: Eckart Voland "Natur der menschlichen Kultur", In: "Orientierung", Tagungsband Matreier Gespräche, 2002)

Die Memetik versucht so wie die Kulturethologie kulturelle Entwicklungen mit biologischen Gestzmässigkeiten zu beschreiben. Wobei sie sich mehr auf die Mechanismen der Evolution (Variation, Selektion, Mutation) konzentriert und populationsgenetisch argumentiert. Im Vergleich dazu geht die Kulturethologie weniger mechanistisch vor, sondern arbeitet vor allem deskriptiv und vergleichend. Die Memetik eher deduktiv (Hypothesen aus Theorien bildend), die Kulturethologie eher induktiv (vom Konkreten auf das Abstrakte schliessend). Trotz dieser Unterschiede sind die Ergebnisse aber auch die mediale Aufbereitung der Memetik wertvolle Anknüpfungsstellen für die Kulturethologie.

Die Erfolge der Memetik sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sowohl die Memetik als auch die Kulturethologie Argumentationsdefizite in den kausalen Zusammenhängen zwischen Natur und Kultur haben. Gene und Meme haben grundlegende Unterschiede: Meme haben keine den Genen vergleichbare biochemische Struktur (DNS), die "Mutation" und "Replikation" von Memen geschieht nicht zufällig und die "Selektion" der Meme geschieht durch die gleichen Mechanismen, wie die "Mutation" und "Replikation".

Ethnologie:

Die Ethnologie (auch Volkskunde) untersucht die Struktur und Funktion von Gesellschaftssystemen und versucht sie in Modellen darzustellen. Dabei wendet sie sich der gesamten Breite gesellschaftlichen Lebens zu, wie ethnischen Gruppen in städtischen Gesellschaften, Geschlechterdifferenzen, sozialer Schichtung, internationalen Beziehungen. Dabei untersucht die Ethnologie u.a. populäre Werte wie z.B. "Heimat" oder Religion anhand ihrer Objektivationen (Lieder, Frömmigkeitsäußerungen, Kunsthandwerk) und der subjektiven Einstellungen der Menschen zu diesen Werten. Sie bezieht sich auf die Strukturen der Gesellschaft im historischen Wandel und setzt Kultur als sozialbedingt und geschichtlich geprägt an, zugleich als einen wesentlichen auf die Gesellschaft zurückwirkenden Entwicklungsfaktor.

(Quelle: Wikipedia)

 

Als traditionelle Forschungsbereiche der Volkskunde sind z.B. die historische Handwerksforschung, die Haus-, Nahrungs-, Kleidungs-, und Brauchforschung sowie die Kulturraumforschung zu nennen. Auf dieser Materialbasis steht heute vor allem die "Allgemeine Kulturanalyse" im Vordergrund. Gefragt wird heute z.B. nach Herrschaft und Kultur, Identität, Kontinuität und Wandel, Kommunikationsverhalten, Relationen von Gruppe und Individuum, Massenkultur und Subkultur, Eukulturation und Akkulturation, Kreativität und Kulturindustrie.

Ethnologische Arbeiten können der Kulturethologie zugeordnet werden, wenn sie auf biologische Erkenntnisse Bezug nehmen. Dies geschieht bei der Untersuchung von Gesellschaftssystemen, wenn soziobiologische Hypothesen in die Analyse einer Gesellschaft einfliessen. Bei der Erforschung kultureller Objekte bezieht sich die Ethnologie allerdings nur selten auf biologische Gesetzmässigkeiten.

Psychologie

Psychologie befasst sich mit der Erforschung des menschlichen Geistes und dem Verhalten des Menschen. Technische Entwicklungen haben der Psychologie besonders grosse Fortschritte in der Erforschung der physiologischen und anatomischen Grundlagen des Denkens und Handelns beschehrt. Im Bereich sozio-kultureller Themen befasst sich die Psychologie manchmal mit kulturethologischen Themen.

Das grosse Hoffnungsgebiet interdiziplinärer Kooperation liegt allerdings im methodischen Bereich. Die Psychologie hat eine Fülle von Instrumenten im Bereich der Wahrnehmungs- und Cognitionsforschung entwickelt, die sich auf kulturethologische Fragestellungen anwenden lassen.

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